Leidenschaftlicher Trainer für die Forschung
Nach acht Jahren gibt Detlef G¨¹nther sein Amt als Vizepr?sident Forschung ab, um sich wieder seinen eigenen Forschungsthemen zu widmen. Im Blick zur¨¹ck spricht er unter anderem dar¨¹ber, warum es ein Privileg ist, der Schulleitung der ETH Z¨¹rich anzugeh?ren.
Detlef G¨¹nther ist ein Mensch der grossen Emotionen. Andere m?gen Themen wie Grundlagenforschung, Forschungskooperationen, Plattformen, Spin-offs oder Kompetenzzentren f¨¹r etwas trocken halten ¨C wenn der Forschungschef der ETH dar¨¹ber spricht, dann stets mit grosser Leidenschaft und leuchtenden Augen: ?Es ist unglaublich, wie mein Team e-Research umgesetzt hat!? Und meint die Plattform, auf der alle internen Forschungsantr?ge eingehen und bearbeitet werden. ?Als ich meinem Stab vor ein paar Jahren sagte, dass die ETH eine solche Plattform brauche, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Dann haben alle hart daran gearbeitet und jetzt haben wir ein fantastisches System in der Pilotphase, das aber weiter ausgebaut werden kann.? G¨¹nthers Enthusiasmus ist ansteckend.
Die ganze ETH im Blick
Detlef G¨¹nther kam vor 28 Jahren als Postdoktorand an die ETH; am Departement Erdwissenschaften baute er eine laserbasierte Methode zur Mikroanalytik auf. 1998 wechselte er als Assistenzprofessor in das Departement f¨¹r Chemie und angewandte Biowissenschaften.
2008 wurde Detlef G¨¹nther ordentlicher Professor f¨¹r Spurenelement- und Mikroanalytik im Laboratorium f¨¹r Anorganische Chemie, das er zwei Jahre davor schon geleitet hatte. Von 2010 bis 2012 war er Vorsteher im Departement f¨¹r Chemie und Angewandte Biowissenschaften. Im Jahr 2015 wurde er als Vizepr?sident f¨¹r Forschung und Wirtschaftsbeziehungen Mitglied der Schulleitung. ?Als ETH-Professor erlebte ich eine tolle Hochschule und war unglaublich beeindruckt von meiner direkten Umgebung. Aber wenn du dann in die Schulleitung kommst, ist es, als h?tte dir jemand einen Helikopterflug ¨¹ber die Hochschule geschenkt: Du nimmst die ganze ETH wahr, ihre Vielfalt, ihre Komplexit?t und ihr unglaubliches Potenzial. Einfach grossartig!?
?Wenn du in die Schulleitung kommst, ist es, als h?tte dir jemand einen Helikopterflug ¨¹ber die Hochschule geschenkt.?Detlef G¨¹nther
Sharing is caring
Der noch bis Ende Jahr amtierende Vizepr?sident Forschung spricht gerne in anschaulichen Bildern ¨C am liebsten sind ihm als grossem Fussballfan Sportmetaphern. Ist er so was wie der Trainer f¨¹r die Forschung an der ETH? ?Nun ja, mit 11 St¨¹rmern gewinnt man kein Spiel und als Vizepr?sident Forschung geht es eben auch darum, Forscher:innen so zusammenzubringen, dass sie interdisziplin?r gut harmonieren und vielleicht auch mal auf anderen Positionen im Team spielen?, schmunzelt der geb¨¹rtige Deutsche, der seit einigen Jahren einen Schweizer Pass besitzt.
G¨¹nther gilt als Vater von wichtigen Technologieplattformen und Kompetenzzentren, die w?hrend seiner Amtszeit auf- oder entscheidend ausgebaut wurden. Bei Plattformen wie beispielsweise dem Scientific Center for Optical and Electron Microscopy (ScopeM) treibt ihn vor allem der Sharing-Gedanke an: Die Professor:innen sollen sich teure Infrastruktur teilen, damit insgesamt mehr Spitzentechnologien an der ETH zur Verf¨¹gung stehen. ?Wir m¨¹ssen verantwortungsvoll mit dem Geld der Steuerzahlenden umgehen. Da geh?rt es einfach dazu, dass nicht jeder und jede seine eigenen Ger?te hat, die dann vielleicht nur ein paar Tage im Jahr wirklich genutzt werden.?
Nachhaltig entwickelt
Acht Jahre sind eine lange Zeit. Auf die Frage, wie sich die ETH seit seinem Amtsantritt ver?ndert hat, spricht Detlef G¨¹nther zuerst ¨¹ber den Forschungsschwerpunkt ?Gesundheit und Medizin?, den die ETH enorm ausgebaut hat, inklusive neuem Bachelorstudiengang. Und dann kommen ihm noch ganz viel andere Dinge in den Sinn: ?Von der Entwicklung der Studieng?nge bis hin zu den vegetarischen Men¨¹s in der Mensa fokussieren wir bei allem, was wir tun, auf die Nachhaltigkeit, den Klimawandel und Netto-Null. Der H?nggerberg ist ein richtiger Ó¢»ÊÓéÀÖ geworden, und wir f?rdern den Unternehmergeist unserer Studierenden noch viel aktiver: Von 2015-2020 haben ETH-Studierende und Doktorierende ¨¹ber 160 Spin-offs gegr¨¹ndet!?
Vielleicht sei das sowieso die gr?sste ?nderung in der Institution, aber auch in den K?pfen: Die ganze Wertsch?pfungskette von der Grundlagenforschung ¨¹ber die Lehre bis hin zum Technologietransfer habe man enorm gest?rkt und ausgebaut. Von 2015 bis 2020 war G¨¹nther f¨¹r die gesamten Bereiche Forschung und Wirtschaftsbeziehungen zust?ndig, heute ist das enorme Arbeitspensum gar nicht mehr von einer Person zu bew?ltigen. 2021 erfolgte daher die Aufteilung in zwei Vizepr?sidien. ?Die ETH hat sich viel schneller entwickelt, als ich es je erwartet habe.? Er h?lt kurz inne und f¨¹gt lachend hinzu: ?Was allerdings gleich blieb, ist die Qualit?t!?
Von Einzelk?mpfer:innen
Gab es bei all diesen positiven Aspekten auch Dinge, die den Vizepr?sidenten in den letzten Jahren genervt haben? Als Trainer setzt sich Detlef G¨¹nther f¨¹rs Team, f¨¹r die ganze ETH ein. F¨¹r Einzelk?mpfer:innen, die sich nur um die eigenen Interessen k¨¹mmern und den Kolleginnen und Kollegen das Leben schwer machen, hat er wenig Verst?ndnis. Das sei ein grosser Verschleiss von Energie, der wenig bringe und manchmal frustrierend sei.
?Bei den vielen globalen Herausforderungen ist die Zeit der Einzelk?mpfer:innen vorbei ¨C in der Politik und in der Wissenschaft.?Detlef G¨¹nther
Grosse Sorgen bereiten dem Vizepr?sidenten aber vor allem die schwierigen Beziehungen zum europ?ischen Forschungsraum. Seit 2015 wurden ETH-Forschende im Rahmen von Horizon 2020 mit ¨¹ber 150 ERC Grants ausgezeichnet, was nicht nur f¨¹r die hohe Qualit?t der eingereichten Projekte spricht, sondern auch dazu f¨¹hrte, dass ¨¹ber 250 Millionen Schweizer Franken zus?tzliche Forschungsgelder aus der EU in diese Projekte flossen. Umso nachdenklicher stimmt Detlef G¨¹nther die aktuelle Situation: ?Da die Schweiz 2014 schon mal von Horizon ausgeschlossen wurde, dachte ich, wir h?tten gelernt, wie sch?dlich ein Alleingang f¨¹r den Forschungsstandort ist.? Wie beim Klimawandel sei es gef?hrlich, wenn die negativen Auswirkungen nur langsam und sukzessive sp¨¹rbar w¨¹rden, da man so zu sp?t realisiere, wieviel auf dem Spiel stehe. Und wo sieht Detlef G¨¹nther die politische L?sung? ?Ich glaube, die Schweiz wird nicht um Schritte auf Europa zu herumkommen. Bei den vielen globalen Herausforderungen ist die Zeit der Einzelk?mpfer:innen vorbei ¨C in der Politik und in der Wissenschaft.?
Zur¨¹ck zu den Anf?ngen
Detlef G¨¹nther z?gert kurz, wenn man ihn fragt, was er seinem Nachfolger Christian Wolfrum raten w¨¹rde. Er gibt in solchen F?llen nicht gerne Ratschl?ge, sagt aber dann doch: ?Man sollte so oft wie m?glich mit vielen Professorinnen und Professoren sprechen und regelm?ssig die Ó¢»ÊÓéÀÖ besuchen. Dadurch lernt man viel und kann sich innerhalb der ETH vernetzen. Und nat¨¹rlich erweitert man seinen Horizont, was dem Vizepr?sidium zugutekommt.?
Detlef G¨¹nther selbst wird als Professor f¨¹r Spurenelement-? und Mikroanalytik ab 2023 in seine 13-k?pfige Forschungsgruppe zur¨¹ckkehren. Er hat schon einige Projekte im Kopf, die er mit seiner Gruppe noch umsetzten m?chte: ?Wir w¨¹rden gerne gravimetrische Kr?fte nutzen, um 1000 Zellen oder Nanopartikel pro Sekunde zu analysieren. Das k?nnte eine spannende Sache werden...? Da ist sie wieder: Detlef G¨¹nthers Leidenschaft ¨C die wohl wichtigste Eigenschaft f¨¹r einen erfolgreichen Trainer.